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Vorschau auf die 46. Solothurner Filmtage. Von Walter Gasperi

Vorschau auf die 46. Solothurner Filmtage. Von Walter Gasperi

Auch heuer bieten die Solothurner Filmtage (20. bis 27.1. 2011) wieder einen repräsentativen Überblick über das aktuelle Schweizer Filmschaffen. Einerseits werden Produktionen des vergangenen Jahrs nochmals gezeigt, andererseits ermöglichen mehrere Uraufführungen schon einen Blick ins heurige Jahr. Daneben wird die Schweizer Filmproduzentin Ruth Waldburger mit einer Werkschau geehrt, in der Reihe «Passages» wird ein kleiner Einblick in das Filmschaffen der angrenzenden Alpenländer geboten und auch ein Rahmenprogramm fehlt nicht.

Wie letztes Jahr finden die Filmtage auch heuer von Donnerstag bis Donnerstag statt, eine Verlegung und Verlängerung um einen Tag, mit der 2010 besonders durch das attraktive Wochenende um 14% mehr Eintritte erzielt werden konnten. Eröffnet werden die Filmtage wie gewohnt nicht nur mit Reden, darunter die Eröffnungsrede der Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, sondern auch mit einer Uraufführung: Pascal Verdosci erzählt in seinem mit Klaus Maria Brandauer und Sebastian Koch hochkarätig besetzten Spionagethriller „Manipulation“ von einem Schweizer Bundespolizisten, der 1956 gegen von Moskau bezahlte Spione ermittelt und dabei auf den PR-Berater Harry Wind stösst. Im Zuge seiner Recherchen gelangt der Polizist zu Erkenntnissen, die sein Bild von einer wohlgeordneten Welt zunehmend erschüttern.

Neue Spielfilme zu aktuellen Themen

In der Gegenwart spielt dagegen Laurent Nègres zweiter Spielfilm. In „Opération Casablanca“ wird ein junger Schwarzarbeiter aus Marokko in der Nähe von Genf von der Polizei verhaftet und verdächtigt an terroristischen Aktionen beteiligt zu sein. Mit einem aktuellen Thema beschäftigt sich auch Christine Repond, in deren Langspielfilmdebüt „Silberwald“ es um eine Gruppe Jugendlicher geht, die aus Wut über die Welt immer aggressiver werden.

Gespannt sein darf man auch auf den neuen Film der in Kanada lebenden und arbeitenden Léa Pool. Nach „Maman est chez le coiffeur“ erzählt Pool in „La dernière fugue“ ein weiteres Mal eine Familiengeschichte. Im Mittelpunkt steht der 75-jährige Anatole, dessen zunehmende Parkinson-Erkrankung die Beziehungen zu seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln belastet. Leichtere und vermutlich auch surreale Töne dürfte dagegen Peter Luisi anschlagen, der in „Der Sandmann“ ganz dem Titel entsprechend von einem Mann erzählt, aus dessen Körper immer mehr Sand austritt.

Von der ethnologischen Studie bis zur Alpmagie

Bei den Dokumentarfilmen gibt es unter anderem die Premiere von „Die große Erbschaft“ von Donatello und Fosco Dubini. Die Regie-Brüder legen damit eine ethnologische und soziologische Studie über eine italienische Einwandererfamilie in einem kleinen Tessiner Bergdorf vor. Auf die Spuren der Alpmagie begibt sich Edwin Beeler in „Arme Seelen“, für den der Filmemacher in der Innerschweiz Menschen aufspürte, die von rätselhaften Wahrnehmungen aus dem Jenseits und von Freveltaten längst Verstorbener, die gesühnt werden müssen erzählen. Spannend klingt auch „Flying Home“, in dem Tobias Wyss das Leben von Walter Otto Wyss nachzeichnet, der 1939 in die USA auswanderte, dort ein revolutionäres Hybridauto entwickelte und schließlich 30 Jahre lang bis zu seinem Tod 2001 auf Hawaii lebte.

„Prix du Public“ und „Prix de Soleure“

Neben diesen Premieren, zu denen auch neue Filme von Res Balzli, Elodie Pong und Anka Schmid zählen, bieten die Solothurner Filmtage aber auch heuer wieder einen Überblick über das Filmschaffen des vergangenen Jahres. Silvio Soldinis „Cosa voglio di più“ über eine leidenschaftliche Affäre, die die in einer Beziehung lebenden beziehungsweise verheirateten Liebenden fast zerreisst, wird hier ebenso nochmals gezeigt wie Paul Rinikers „Sommervögel“ oder Véronique Reymonds und Stéphane Chuats schon in Locarno gezeigtes Drama „La petite chambre“.

Konkurrieren diese vier Filme mit neun weiteren Produktionen um den mit CHF 20.000 dotierten „Prix du Public“, so wurden für den Wettbewerb um den mit CHF 60.000 dotierten „Prix du Soleure“ fünf Dokumentar- und fünf Spielfilme ausgewählt. Zu den Filmen, zwischen denen sich die dreiköpfige Jury, die sich aus dem Regisseur Benjamin Heisenberg, dem Künstler San Keller und der Direktorin von Amnesty Schweiz, Manon Schick, zusammensetzt, entscheiden muss, gehören unter anderem Michael Schaerers Krebsdrama „Stationspiraten“ oder Jean-Stéphane Brons Dokumentarfilm „Cleveland versus Wall Street“.

Ruth Waldburger, „Passages“ und Filmschulen

Zu dieser Auswahlschau zum Schweizer Filmschaffen kommt eine Werkschau zur Schweizer Produzentin Ruth Waldburger, die im Laufe ihres Lebens über 80 Filme produzierte. Eindrücklich kommt dabei mit Filmen wie Alain Resnais´“On connait le chanson“, Jean-Luc Godards „Eloge de l´amour“ und „Nouvelle Vague“, Gianni Amelios „Il ladro di bambini“ oder Tom DiCillos Debüt „Johny Suede“ Waldburgers Bedeutung für das anspruchsvolle Filmschaffen zum Ausdruck.

Unbekanntere Namen dominieren dagegen die Reihe „Passages“, in der mit elf Werken das Filmschaffen der angrenzenden Alpenländer vorgestellt wird. Benjamin Heisenbergs „Der Räuber“ läuft hier beispielsweise ebenso wie Daniele Gaglianones Locarno-Teilnehmer „Pietro“ oder Saverio Costanzas „La solitudine dei numeri primi“.

Nicht fehlen darf in Solothurn auch die Werkschau der Filmschulen und ein Musikclip-Wettbewerb sowie ein Rahmenprogramm mit Diskussionen zum aktuellen Schweizer Film, zu Filmförderungskonzepten, Informationen zur Cinématheque Suisse oder einer Präsentation von "filmsearch.ch", einem neuen Online-Projekt der Solothurner Filmtage.

Preise für Christian Jungen, Daniel Hürlimann und Françoise Deriaz

Schon bekannt sich die ersten Preisträger der heurigen Filmtage. Mit dem seit 2006 verliehenen „Prix Pathé“ für herausragende filmjournalistische Beiträge werden Christian Jungen und Daniel Hürlimann ausgezeichnet. Jungen erhält den mit CHF 10.000 dotierten Preis für seinen filmpolitischen Artikel „Bitte mehr Mut und Haltung“ (NZZ am Sonntag, 17.1.2010), Hürlimann für seinen Radiobeitrag über Mohammed Soudanis Film „Lionel“ (Rete Due, 11.12.2009). Auch der mit ebenfalls CHF 10.000 dotierte Ehrenpreis der Gemeinden im Wasseramt geht heuer an eine Filmjournalistin: Mit Françoise Deriaz wird die langjährige Redakteurin des „Cine-Bulletins“, die am 31. März in Pension gehen wird, für ihre Verdienste um den Schweizer Film geehrt.
(Walter Gasperi)