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CH 2022, OV/df, 93', Regie: Cyril Schäublin, mit Clara Gostynski, Alexei Evstratov, Monika Stalder

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Filmkritik von Walter Gasperi

In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts kommt ein russischer Kartograf und Geologe in den Schweizer Jura, wo ihn die anarchistische Einstellung der Arbeiterinnen in der Uhrenindustrie fasziniert: Das Setting ist historisch, doch Cyril Schäublin verhandelt in seinem formal strengen Film ebenso unaufdringlich wie klug auch aktuelle Themen.

Cyril Schäublin, der selbst aus einer Uhrmacherfamilie stammt, stellt seinem nach "Dene wos guet geit" zweiten Spielfilm ein Zitat des russischen Anarchisten Pyotr Kropotkin (1842 - 1921) voran. Darin erklärt dieser, dass er nirgends für den Anarchismus so offene Menschen gefunden habe wie in der Uhrenindustrie im Schweizer Jura und dass diese ihn entscheidend geprägt hätte

Nach einem Prolog, in dem sich mehrere vornehme russische Damen über Anarchismus und Kommunismus und den Gegensatz von Dezentralisierung der Macht und Herrschaft des Staates unterhalten, setzt die Haupthandlung im Schweizer Jura ein. Pyotr Kropotkin (Alexei Evstratov) kommt in diese Gegend, um sie als Kartograf und Geologe zu vermessen. Doch mehr als diese Tätigkeit interessiert ihn bald die anarchistische Haltung der Arbeiter*innen in der Uhrenindustrie. Fasziniert ist er vor allem von der jungen Josephine Gräbli (Clara Gostynski), die für die Herstellung der Unruhe, die das Uhrwerk am Laufen hält, zuständig ist

Kein klassischer Kostümfilm, der auf prächtige Ausstattung setzt, ist dies, sondern Kulissen und Kostüme sind bewusst reduziert gehalten. Kühl und spröde ist die Inszenierung, die an die Filme Jean-Marie Straubs und Danièle Huillets erinnert. Weitgehend statisch bleibt die Kamera von Silvan Hillmann und, während sie die Menschen meist in langen, distanzierten Einstellungen erfasst, ist sie bei Blicken auf die Feinarbeit am Uhrwerk ganz nah am Geschehen

Irritierend ist dabei nicht nur der Bildausschnitt, durch den man die Charaktere immer nur bis etwa zu den Knien, nie aber ihre Füße sieht, sondern auch, dass auch in der Totale die Dialoge in normaler Lautstärke zu hören sind. Dazu kommt, dass Schäublin auf jede extradiegetische Filmmusik verzichtet und die Farbpalette weitgehend auf blasse Braun-, Beige- und Grautöne reduziert ist

Auf Distanz gehalten werden die Zuschauer*innen aber auch durch den Verzicht auf jede Psychologisierung und jeden Background der Charaktere. Nicht Emotionalisierung ist das Ziel, sondern vielmehr soll mit der nüchternen, aber präzisen Inszenierung Einblick in diese Umbruchszeit mit zunehmender Reglementierung der Arbeit durch neue Erfindungen und die Ausbeutung der Arbeiter*innen durch die Industriellen, aber auch den wachsenden Widerstand der Arbeiterschaft vermittelt werden.
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