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Die Preisträger*innen des FIFF 2022

Die Preisträger*innen des FIFF 2022

Das FIFF umarmt die Ukraine

«Ein Film mit einer Vision und einer Aussage von ausserordentlicher Tragweite», urteilt die Kritiker*innen-Jury, während die Internationale Langfilm-Jury überzeugt ist, eine Regisseurin entdeckt zu haben, «die in den kommenden Jahren eine grosse Rolle im internationalen Kino spielen wird»: Klondike, das erschütternde Werk der Ukrainerin Maryna Er Gorbach, hat am 36. Internationalen Filmfestival Freiburg, das am Sonntag zu Ende geht, den Grand Prix der Internationalen Langfilm-Jury, den Critics’ Choice Award sowie eine besondere Erwähnung der Jugendjury Comundo gewonnen. Dies ist nicht nur ein Spiegelbild der Aktualität, sondern auch die Krönung einer Ausgabe voller Emotionen um den (post)apokalyptischen Film, das afghanische, angolanische, albanische und kosovarische Kino und nicht zuletzt um die kontroverse Frage der Context culture. Dank dieses kühnen Programms und der verstärkten Präsenz in der Stadt Freiburg erreichte das FIFF über 43'000 Kinobegeisterte – so viele wie vor der Pandemie.

Einstimmig hat die Internationale Langfilm-Jury des 36. FIFF, bestehend aus der albanisch-schweizerischen Sängerin Elina Duni, der afghanischen Regisseurin Sahra Mani, dem angolanischen Produzenten Jorge Cohen und dem künstlerischen Leiter des Locarno Film Festival Giona A. Nazzaro, ihren Grand Prix an Klondike verliehen, den fünften Film der Ukrainerin Maryna Er Gorbach. Der Film, inspiriert von einer wahren Geschichte, spielt im Jahr 2014 und zeichnet das Porträt einer schwangeren Frau, die sich auch im Angesicht der anrückenden russischen Truppen weigert, ihr Haus im Donbass zu verlassen. Das Meisterwerk rund um einen ausbrechenden Krieg, das als Schockmoment der Ausgabe 2022 in Erinnerung bleiben wird, hat noch zwei weitere Jurys überzeugt: Die Critics’ Choice Award Jury zeichnete den Film mit ihrem Preis aus, während die Jugendjury ihn mit einer besonderen Erwähnung ehrte. Ihren Hauptpreis vergab die Jugendjury Comundo an Amira des Ägypters Mohamed Diab, einen Film über die harte Realität in israelischen Gefängnissen und über die illegale In-vitro-Fertilisation, die es palästinensischen Häftlingen erlaubt, Kinder zu zeugen. Der Publikumspreis ging mit Broken Keys des Libanesen Jimmy Keyrouz an einen nicht minder erschütternden Film, in dem ein Pianist seine Musik dem Islamischen Staat entgegensetzt. Zwei weitere Spielfilme wurden ausgezeichnet: Brighton 4th des Georgiers Levan Koguashvili mit dem Sonderpreis der Internationalen Langfilm-Jury und der mexikanische Film La Civil von Regisseurin Teodora Ana Mihai mit dem Preis der Ökumenischen Jury.

Den Preis für den besten internationalen Kurzfilm erhielt die Brasilianerin Nina Kopko für ihren Beitrag Lunch Break, eine filmische Anklage gegen eine Arbeitswelt, in der Frauen einen schweren Stand haben. Der Preis des Netzwerk Cinema CH, verliehen von einer Jury aus Schweizer Filmstudierenden, ging an Party Poster, einen unverfälschten Dokumentarfilm des Inders Rishi Chandna, und der Prix Röstigraben an Esther von Ana Scheu Amigo von der Hochschule Luzern. Schliesslich gibt das FIFF den Kurzfilmen aus den Schweizer Filmhochschulen die Möglichkeit, sich dem Urteil der Gäste aus der Sektion Neues Territorium zu stellen. Das waren dieses Jahr Filmschaffende aus Angola, welche den Preis Auslandsvisum an A bassa voce vergaben, den Beitrag von Matilde Casari und Alessandro Perillo vom CISA Locarno..

Mit diesen Preisen hat das FIFF, wie mit seiner gesamten Selektion, einmal mehr während zehn Tagen die Vielfalt, die Entdeckung von Kulturen, die Verteidigung von Minderheiten und die Freude an der Begegnung gefeiert, zur besonderen Freude des Publikums nach zwei Jahren der Pandemie. Noch selten war das Festival so nahe am Puls der Aktualität. Angefangen natürlich mit der Situation in der Ukraine, die den Blick auf Werke wie Klondike nachhaltig verändert hat, aber auch auf Stanley Kubricks Dr. Strangelove oder George Millers Mad Max-Serie, die lange vor den aktuellen Ereignissen selektioniert wurden. Das Publikum liess sich von der Endzeit-Stimmung nicht abschrecken und strömte in Massen in die Kinosäle: Die Ausgabe 2022 wird mit mindestens so vielen Besucherinnen und Besuchern enden wie jene von 2019 mit 43'000 Eintritten. Mitgezählt sind hier die geschätzten Zahlen des Wochenendes vom 9. und 10. April in Bulle sowie der Online-Verlängerungen, die ab Sonntag für über 7200 Sichtungen offen stehen, auf Play Suisse und speziell auf Festival Scope, mit 18 kostenlos zugänglichen Filmen. Mathieu Fleury, Vereinspräsident des FIFF, freut sich: «Wir hätten nie damit gerechnet, so schnell an die Erfolge von früher anknüpfen zu können. Dank der Unterstützung von öffentlichen und privaten Partnern und dank der Begeisterung des Publikums, das diese Rückkehr herbeigesehnt hat, haben wir eine aussergewöhnliche Ausgabe erlebt.»

Ein Wiedersehen im Rahmen einer ganz normalen Ausgabe, das haben sich die Besucherinnen und Besucher gewünscht. Doch was heisst normal? Nicht nur die Filme, sondern auch die Überraschungsbesuche von Geraldine Chaplin und des Rappers Fianso oder das unvergessliche Konzert von Gjon’s Tears im Rahmen seiner Carte blanche zur kosovo-albanischen Kultur sorgten für emotionale Augenblicke und unterstrichen die besondere Atmosphäre dieses Festivals. Dank einer noch nie da gewesenen Präsenz im Stadtzentrum, verwandelte sich Freiburg in eine echte Kino-Stadt. «Das FIFF ist ein Bindeglied», sagt Thierry Jobin, künstlerischer Leiter des Festivals. «Dank eines Publikums, das uns ein unglaubliches Vertrauen entgegenbringt, können wir neue, vergessene, verkannte oder versteckte Territorien erkunden und damit eine fast unvorstellbare Aufmerksamkeit auf die Arbeit von Filmschaffenden lenken, die überall auf der Welt zeigen, dass es ohne Kunst keine Hoffnung gibt – eine Aufmerksamkeit, die in Zeiten, in denen der Rückzug in die sozialen Medien den echten Dialog und Austausch bedroht, wichtiger ist denn je. Vielleicht war das FIFF noch nie so nötig wie in diesem Jahr.».
(Pressetext: FIFF)