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Shame

UK 2011, 101 Min., E/df, Regie: Steve McQueen, mit Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge Dale, Nicole Beharie, Hannah Ware

Shame

Rezension von Bettina Spoerri

In Steve McQueens zweitem Spielfilm verfängt sich der New Yorker Businessman Branon im Labyrinth der Begierde.

Eine unterkühlte Atmosphäre herrscht in Brandons Junggesellenwohnung: Da ist alles aufgeräumt und funktional, der Bewohner dieser vier Wände scheint sein Leben fest im Griff zu haben. Doch in Brandon (Michael Fassbender) drin brodelt es, denn er kann von Sex einfach nicht genug bekommen. Und die weibliche Umwelt macht es ihm auch einfach; so sehr sich seine Arbeitskollegen um eine Frau bemühen – sie hat bereits ihr Auge auf Brandon geworfen. Der lässt denn auch nichts anbrennen. Und wenn er keine Frau in einer Bar findet oder ein Flirt in der U-Bahn zu nichts führt, hat er immer noch die Prostituierten, die er möglichst oft zu sich ins Bett bestellt, und einschlägige Livesex-Internetangebote.

Der Körper als privates Gefängnis
Nach seinem Film „Hunger“ (2008) über den von IRA-Mitglied Bobby Sands 1981 ausgerufenen Hungerstreik im nordirischen Maze-Gefängnis – eine Wucht von einem Film – beschäftigt sich der britische Regisseur Steve McQueen auf ganz andere Weise mit körperlicher Verausgabung. Doch war in „Hunger“ der Körper das Mittel, um für ein gemeinsames Ziel politischen Druck aufzusetzen und eine erhoffte Befreiung herbeizuführen, ist in „Shame“ der Körper das private Gefängnis eines äusserlich freien Menschen, der in besten materiellen Verhältnissen lebt und mit Leichtigkeit alles erhält, was er begehrt, aber dennoch einsam ist.

Die beiden Filme erscheinen so gesehen wie zwei Seiten ein- und derselben Medaille – nur verliert „Shame“ im letzten Drittel leider an Stringenz, während sich das Meisterwerk „Hunger“ konsequent in die beklemmende Katastrophe hinein verdichtet.

Michael Fassbender beweist sich als äusserst wandelbarer Schauspieler, der nach dem irischen Widerstandskämpfer in „Shame“ nun ebenso überzeugend einen gut verdienenden Businessman verkörpert, in dessen Leben eine wachsende Sex-Sucht langsam von innen her alles zu zerstören droht. Eine erste Störung in Brandons scheinbar so problemlosem Alltag sind die wiederholten, hartnäckigen Anrufe einer Frau auf seinem Telefonbeantworter, und an seinem Arbeitsort wird sein Computer konfisziert, weil er von Sex-Spamviren verseucht ist. Brandon beantwortet die Anrufe nicht, und er widerspricht nicht, als sein Chef den Praktikanten verdächtigt. Die Alarmzeichen sind da, doch Brandon kann nicht aufhören. Und als eines Tages seine Schwester (Carey Mulligan) in seiner Wohnung auftaucht – es stellt sich heraus, dass sie die Frau ist, die ihn immer wieder angerufen hat –, gerät Brandons Leben immer mehr ins Schlingern.

Wechselbad der Gefühle
Blicke, anziehende, ablehnende, gierige Augen, durchziehen diesen Film: Vektoren, Spinnennetze, Fadenkreuze. McQueen erzählt die Geschichte eines Besessenen wider besseres Wissen mit Bildern, die sich den Körpern stark annähern, ja aufdrängen, Haut scheint sinnlich spürbar zu werden – aber immer wieder springt die Kamera auch in eine Distanz zum Geschehen, äusserster Erregtheit wird Kühle, ja Kälte entgegengestellt. Dieses Wechselbad geht immer mehr unter die Haut und vermittelt die Befindlichkeit Brandons mit filmischen Mitteln differenzierter, als es viele Erklärungen könnten. Nur gegen Ende seines Films scheint McQueen dem Spannungsbogen seines Films nicht mehr ganz vertraut zu haben; den Faden einer vage angedeuteten Inzest-Beziehung zwischen Bruder und Schwester lässt er wieder fallen, dafür muss Sissy Selbstmord begehen, damit Brandon sich läutern kann: ein im doppelten Sinne ernüchternder, letztlich unpassend moralisch wirkender Schluss.
(Bettina Spoerri)

     

Kritiken

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  - Peter Travers für rollingstone.com
   
Offizielle Website Verleiher
www.foxsearchlight.com/shame Frenetic

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