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Schlussbericht und Preise des 35. Festival Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano, La Habana, Cuba

Schlussbericht und Preise des 35. Festival Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano, La Habana, Cuba

Von Geri Krebs

Es war ein Festival, das mit Ausfällen und Verlusten fertig werden musste – trotzdem zeigte diese erste Festivalausgabe ohne ihren Gründervater Alfredo Guevara ein lateinamerikanisches Filmschaffen, das von einigen Höhenflügen gekennzeichnet war.

Es begann mit dem Schatten von Nelson Mandela. Als am Abend des 5. Dezember anlässlich der Eröffnungsgala die Präsentatorin im Teatro Karl Marx von Havanna die Bühne betrat, war ihr erster Satz die Überbringung der Nachricht vom Tod des südafrikanischen Freiheitshelden, gefolgt von der Bitte um eine Schweigeminute für diese überragende Persönlichkeit der Zeitgeschichte und grossen Freund Kubas. Zwei Tage nach dieser bewegenden Eröffnungsfeier erfuhren die Festivalbesucher dann aus der Festivalzeitung, dass der nächste Tag, ein Sonntag, von der Regierung zu Ehren Mandelas zum nationalen Trauertag erklärt worden sei und deshalb auch sämtliche Filmvorführungen des Festivals ausfallen würden.

Auch ohne dieses Ereignis war diese 35. Ausgabe des traditionsreichen Festivals gleich in mehrfacher Hinsicht von Todesfällen geprägt, die in der kubanischen Filmszene spürbare Lücken hinterlassen. An erster Stelle ist hier natürlich der im April verstorbene Festivalpräsident Alfredo Guevara zu nennen, Begründer sowohl des Filminstituts ICAIC wie auch des Filmfestivals. Kurz zuvor war bereits Camilo Vives verstorben, der als langjähriger Produktionschef des ICAIC neben Guevara eine der wichtigsten und einflussreichsten Figuren für das kubanische Filmschaffen gewesen war. Und mit dem Tod des Regisseurs Daniel Díaz Torres vor drei Monaten hat das kubanische Kino einen seiner wichtigsten und kreativsten Exponenten der letzten Jahrzehnte verloren. Für alle drei Persönlichkeiten gab es im Verlauf der zehn Festivaltage Gedenkveranstaltungen und Retrospektiven, doch drohten sie unterzugehen in einem Programm, das mit insgesamt 473 Filmtiteln (davon 150 in den diversen Wettbewerbssektionen) aus allen Nähten zu platzen drohte. Die Tatsache eines zu vollen Programms gestand auch Festivaldirektor Ivan Giroud – der diesen Posten bereits von 1995-2010 innegehabt hatte, damals allerdings unter der Präsidentschaft von Alfredo Guevara – im Gespräch als durchaus kritisierbar ein und versprach für zukünftige Ausgaben eine Straffung in der Programmation.

Eine solche wäre schon in diesem Jahr nötig gewesen, denn drei Tage vor Festivalbeginn war das im Zentrum der Stadt gelegene, in den 1930ern erbaute Kino Payret, das mit seinen 1800 Plätzen Kubas grösster Kinosaal ist, durch sintflutartige Regenfälle so sehr in Mitleidenschaft gezogen worden, dass es von der Baubehörde für einsturzgefährdet erklärt werden musste. So standen denn statt 16 Kinosälen nur deren 15 zur Verfügung, ein Umstand, dem man dann unter anderem dadurch Rechnung trug, das nun nach dem Festivalende sämtliche prämierten Filme sowie die grössten Publikumshits während drei Tagen noch einmal in Havannas Kinosälen gezeigt werden.

Bezüglich Publikumshits stand an erster Stelle die Komödie „Boccaccerías Habaneras“ des Kubaners Arturo Sotto, eine von zwei neuen kubanischen kubanischen Filmen im Hauptwettbewerb. Es war von Anfang an zu erwarten gewesen, dass dieser temporeiche Film, der drei sich überkreuzende Geschichten aus dem Havanna von heute präsentiert, die inspiriert sind von Giovanni Boccaccios Klassiker „Il Decamerone“, die Herzen des einheimischen Publikums erobern würde, und so war der Publikumspreis denn auch keine Überraschung. Eine weitere neue kubanische Komödie, „Esther en alguna parte“ von Gerardo Chijona, lief ausserhalb des Wettbewerbs, doch es war an der Abschlussgala einer der emotionalsten Momente als der Hauptdarsteller dieses etwas an „Grumpy Old Men“ erinnernden Buddy Movies, der 91 jährige Reinaldo Miravalles, den Ehrenpreis für sein Lebenswerk entgegennehmen konnte. Miravalles ist eine lebende Legende des kubanischen Kinos, er lebt seit 1995 in Miami und er war für „Esther en alguna parte“ erstmals wieder für einen Film nach Kuba zurückgekehrt und seine erneute Präsenz am Abschlussabend wurde vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert. Ein weiterer neuer kubanischer Spielfilm, das Sozialdrama „Girafas“ von Kike Alvarezwar im Hauptwettbewerb vertreten gewesen, ging aber unverdientermassen leer aus. Dagegen triumphierte im Wettbewerb der Kurzfilme und der mittellangen Filme das umwerfend komische Werk eines Regisseurs, der seit Jahren in Kuba Kultstatus hat, dessen satirische Kurzfilme aber bis vor wenigen Jahren noch als „Underground“ galten. Die Rede ist von Eduardo del Llano, dessen neuer, 41 minütiger Film „Casting“, eine umwerfend komische unabhängige Low Budget Produktion um einen frustrierten Filmregisseur (von del Llano selber gespielt) als bester Kurzfilm ausgezeichnet wurde.

Den Hauptpreis des Festivals den „Primer Coral“ erhielt aber ein Film aus Mexiko, „Heli“ von Amat Escalante, ein Werk über den Drogenkrieg in dem mittelamerikanischen Land, das bereits im Wettbewerb in Cannes gelaufen war und dort durch seine drastischen Gewaltszenen für Aufregung gesorgt hatte. Als bestes Erstlingswerk wurde der Thriller „O lobo atras da porta“ des Brasilianers Fernando Coimbra ausgezeichnet, ein atemlos spannender Film, der im September auch am Zurich Film Festival im Wettbewerb zu sehen gewesen war.

Es gab in der Überfülle des Programms aber auch die Weltpremiere zweier Dokumentarfilme aus der Schweiz über kubanische Themen zu entdecken: „Yo sé de un lugar“ des aus Biel stammenden Beat Borter und „Claroscuro“ der in Zürich lebenden Kubanerin Sandra Gomez. Während Beat Borter in seiner liebevoll aber etwas gar weitschweifig gestalteten Dokumentation den kubanischen Sänger, Komponisten und Gitarristen Kelvis Ochoa porträtiert, zeigt Sandra Gomez in ihrer sich über drei Jahre erstreckenden Langzeitstudie sechs Kinder und Jugendliche, die an einer seltenen Hautkrankheit leiden, welche sie dazu zwingt, jegliches Tageslicht zu meiden. Sowohl Borter wie Gomez sind am Festival von Havanna keine Unbekannten. Beat Borter hatte hier 1998 sein – ausführliches - Making Of von „La vida es silbar“ von Fernando Pérez, „La vida es filmar“, präsentiert, ein Film, der im darauffolgenden Jahr auch in den Schweizer Kinos lief, während Sandra Gomez hier 2006 und 2009 ihre beiden Dokumentarfilme „Las camas solas“ und „El futuro es hoy“ vorstellte. Beide Filme befassten sich in unterschiedlicher Weise mit kubanischem Alltagsleben und beide liefen in der Schweiz auch an den Festivals von Locarno und Solothurn. „Yo sé de un lugar“ wird im Spätsommer in Verbindung mit einer Tournee von Kelvis Ochoa in diversen Schweizer Städten in den Kinos zu sehen sein.

Preise des 35. Festival Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano, La Habana, Cuba

CORALES Alle Preise unter habanafilmfestival.com
   
Bester Spielfilm Heli, Regie: Amat Escalante
Mexiko, Frankreich, Deutschland, Niederlande
Spezialpreis der Jury Wakolda, Regie: Lucía Puenzo
Argentinien, Norwegen, Spanien, Frankreich, USA
Bester Erstlingsfilm O lobo atrás da porta, Regie: Fernando Coimbra
Brasilien
Spezialpreis der Jury La jaula de oro, Regie: Diego Quemada-Díez
Mexiko, Spanien
Bester Dokumentarfilm Elena, Regie: Petra Costa
Brasilien
Spezialpreis der Jury La última estación, Regie: Cristian Soto Hermosilla y Catalina Vergara
Chile, Deutschland
Bester Animationsfilm O menino e o mundo, Regie: Alê Abreu
Brasilien
Spezialpreis der Jury Carne, Regie: Carlos Alberto Gómez Salamanca
Kolumbien
FIPRESCI-Preis El lugar del hijo, Regie: Manuel Nieto Zas
Uruguay, Argentinien
SIGNIS-Preis La reconstrucción, Regie: Juan Esteban Taratuto
Argentinien
Bester Kurzfilm Casting, Regie: Eduardo del Llano Rodríguez
Kuba
Erwähnung der Jury Irene, Regie: Alexandra Latishev
Costa Rica
Publikumspreis Boccaccerías habaneras, Regie: Arturo Sotto Díaz
Kuba
Ehrenpreis für das Lebenswerk Reinaldo Miravalles
   
WEITERE PREISE  
   
Preis der 'UNEAC'
(Unión de Escritores y Artistas de Cuba)
Wakolda, Regie: Lucía Puenzo
Argentinien, Norwegen, Spanien, Frankreich, USA
Preis des 'UPEC'
(Círculo de Periodistas de Cultura)
Fernanda y el extraño caso del Dr. X y Mr. Jai
Regie: Mario Rivas
Kuba
Preis der kubanischen Filmjournalistenvereinigung
(Asociación Cubana de la Prensa Cinematográfica)
Heli, Regie: Amat Escalante
Mexiko, Frankreich, Deutschland, Niederlande
Preis 'Caminos'
Verliehen vom 'Centro Memorial Martin Luther King'
Las analfabetas, Regie: Moisés Sepúlveda
Chile
Preis 'Nuestro norte es el Sur-Preis'
Verliehen von 'Cadena televisiva Telesur'
Quijote, Regie: Juan Pablo Rios
Kolumbien
Spezielle Erwähnung Chávez, Regie: Luis Castro
Venezuela, Grossbritannien
Preis 'Sara Gómez'
Verliehen von 'Red de Realizadoras Cubanas'
Princesas rojas, Regie: Laura Astorga
Costa Rica, Venezuela
Preis 'El Mégano'
Verliehen von 'Federación Nacional de Cine Clubes'
Camionero, Regie: Sebastián Miló
Kuba
Dokumentarfilmpreis 'Memoria'
Verliehen vom 'Centro Cultural Pablo de la Torriente Brau'
Quebranto, Regie: Roberto Fiesco
Mexiko
Erwähnung Los días con él, Regie: Maria Clara Escobar
Brasilien
Preis 'Roque Dalton'
Verliehen von 'Radio Habana Cuba'
La jaula de oro, Regie: Diego Quemada-Díez
Mexiko, Spanien
Preis der 'CINED'
Verliehen von 'Cinematografía EDUCATIVA
Al borde de la vida, Regie: Juan Carlos Travieso
Kuba
Preis 'Vigía'
Verliehen von 'Sub-sede de Matanzas'
Humberto, Regie: Carlos Barba Salva
Kuba
Preis der UNICEF La jaula de oro, Regie: Diego Quemada-Díez
Mexiko, Spanien
Preis 'Únete' Heli, Regie: Amat Escalante
Mexiko, Frankreich, Deutschland, Niederlande
Preis 'Casa de Las Américas' Heli, Regie: Amat Escalante
Mexiko, Frankreich, Deutschland, Niederlande
Preis 'Glauber Rocha'
Verliehen von 'Agencia de Noticias Prensa Latina'
La jaula de oro, Regie: Diego Quemada-Díez
Mexiko, Spanien
Preis 'FEISAL' Digna Guerra, Regie: Marcel Beltrán
Kuba
   

Internetvoting-Preis des 'Portal del Cine y el Audiovisual Latinoamericano y Caribeño, de la Fundación del Nuevo Cine Latinoamericano':

Bester Spielfilm Boccaccerías habaneras, Regie: Arturo Sotto Díaz
Kuba
Bestes Regie-Erstlingswerk La jaula de oro, Regie: Diego Quemada-Díez
Mexiko, Spanien
Bester kurz- bis mittellanger Spielfilm La trucha, Regie: Luis Ernesto Doñas Gómez
Kuba
Bester Animationsfilm AninA, Regie: Alfredo Soderguit
Uruguay, Kolumbien